Hintergründe zum Buch

Josef Scherrer (Bauernzeitung) wollte von José Amrein, Autor des Buches «Vom Leben der Urner Älpler», Näheres über die Entstehung des Werkes erfahren. Der Artikel erschien im Dezember 2001 unter dem Titel «In 23 Tagen 2000 Bücher verkauft!»

Josef Scherer: Wie kamen Sie als Städter dazu, ein solches Buch zu verfassen?
José Amrein: Meine Eltern bewirtschafteten in Hildisrieden einen Bauernbetrieb und brachten die Rinder ihres Hofes jeweils auf eine Alp ins Urnerland. Die alljährlichen Alpbesuche waren immer etwas ganz Besonderes für mich. Der Holzkochherd, die Käseherstellung und die Bergwelt zogen mich immer wieder neu in ihren Bann. Das Leben auf der Alp interessierte mich so sehr, dass ich im Lehrerseminar das Thema «Urner Älpler – Ihr Leben - Ihre Sagen» als Diplomarbeit wählte. Nach und nach entwickelte sich der Wunsch, ein Buch über das Leben der Urner Älpler zu verfassen.

Hat sich Ihr Bild vom Älplerleben im Laufe der Zeit gewandelt?
Als Jugendlicher sah ich das Leben auf der Alp etwas gar rosarot. In späteren Jahren habe ich selber vier Wochen auf einer Urner Alp gearbeitet und gesehen, dass das Älplerleben nicht nur immer zuckersüss ist. Heute sind die Älpler mit verschiedensten Anforderungen und Vorschriften konfrontiert, müssen oft gleichzeitig ihren Talbetrieb bewirtschaften. Das Leben auf der Alp übt aber noch immer eine grosse Faszination aus - auf die Bewohner und auch auf die Besucher.

Welche Ziele verfolgten Sie mit der Realisierung des Buches?
Das Buch soll helfen, das Leben der Bergbauern und Älpler zu veranschaulichen und besser zu verstehen. Mein Bestreben war es, das Wissen der älteren Generation in einer ansprechenden Form festzuhalten. Die Texte und Bilder sind deshalb auch als wichtiger Beitrag zur Erhaltung der Kultur und des Brauchtums in der Schweiz zu verstehen.

Was fasziniert Sie am Älplerleben?
Die Ruhe in den Bergen und die Unberührtheit der Landschaft beeindrucken mich sehr. Die heutige Welt ist oft sehr hektisch und materialistisch. Das einfache Leben auf der Alp ist ein faszinierender Gegenpol. Auf der Alp wird man auf das Wesentliche im Leben aufmerksam. Bei Ferienkindern auf der Alp, aber auch bei mir stelle ich immer wieder fest, wie das Leben auf der Alp eine grosse Zufriedenheit zu erzeugen vermag. Obwohl Älpler durchschnittlich mehr als 80 Stunden pro Woche arbeiten, finden sie abends doch immer wieder Zeit um miteinander zu plaudern, etwas, was in der heutigen Fernsehgesellschaft oft zu wenig gepflegt wird.

Was können wir von Älplern lernen?
Ein Satz der Älpler kam mir immer wieder zu Ohren: «Voorewäg nä.» Sich nicht zu sehr über die Zukunft sorgen, sondern einfach nur im Moment sein und einen Schritt nach dem andern vorwärts gehen, das ist die Philosophie vieler Älpler und sie ist im Leben oft sehr hilfreich.

Wie würden Sie die Urner Älpler charakterisieren?
Eine verbindliche Aussage lässt sich darüber nicht machen. Es gibt weltoffenene, aber auch sture Älpler. Mehrheitlich erlebte ich die Menschen auf den Urner Alpen als sehr gastfreundlich, humorvoll und naturverbunden. Durch all die positiven Erlebnisse habe ich die Älpler sehr in mein Herz geschlossen.

Sie haben viel Kurioses und Eigenwilliges erlebt. Was ist Ihnen in besonders lebhafter Erinnerung?
Die Geschichten der Älpler lösten oft heftige Lachsalven bei mir aus, andere haben mich sehr berührt und zum Staunen gebracht. Ein Älpler erzählte mir, sein Kalb sei nach wenigen Sekunden Fahrzeit aus der Seilbahn-Kabine gestürzt. Sofort «hechtete» der Älpler dem Tier nach. Wenige Meter vor dem Abgrund landete er auf dem sicheren Grund der Alpwiese.
Eine andere aussergewöhnliche Geschichte soll vor vielen Jahrzehnten im Urnerland passiert sein: X-mal hatte ein Älpler bei seiner Verlobten die Suppe gegessen, ohne ein einziges Wort zu sprechen. Nach einem ganzen Jahr des Schweigens meinte der Älpler: «Ich habe dich nun genug lange auf die Probe gestellt, du bist mir wirklich treu. Ich möchte dich heiraten.» Bald darauf feierten die beiden Hochzeit. Im Buch sind übrigens noch viele solche Geschichten zu lesen.

Zeichnen Sie teilweise nicht ein etwas rosiges Bild von einer heilen Welt? Haben sie auch Schattenseiten gesehen, welche?
In die Texte fliessen immer auch wieder Schattenseiten des Älplerlebens hinein. Schlechtwetterperioden, Krankheiten bei Menschen und Tieren sind die besonderen Herausforderungen des Älplerlebens. Bei meinem Buchprojekt war es mir ein Anliegen, amüsante und aussergewöhnliche Geschichten in den Vordergrund zu stellen, denn Negatives gibt es in der heutigen Medienlandschaft schon genug. Aber es ist klar: Auch auf der Alp gibt es Probleme und harte Schicksalsschläge. Darüber hätte ich gerne mehr geschrieben, aber es galt die Intimsphäre der Älpler zu wahren.

Wie sehen Sie die Zukunft der Urner Alpwirtschaft? Was schlagen sie als «Aussenstehender» vor? Gibt es Wünsche und Anregungen an Politik und Gesellschaft?
Vieles hängt von der Landwirtschaftspolitik ab. Das System im Kanton Uri mit den vielen Alp-Familienbetrieben bewährt sich sehr. Die meisten Alpen werden auch in Zukunft weiter bewirtschaftet. Voraussetzung sind gleich bleibende Alpsömmerungsbeiträge und Direktzahlungen - was ich übrigens sehr befürworte, denn die Bewirtschaftung der Alpen ist neben der Produktion des feinen Alpkäses auch aus Sicht der Landschaftspflege und des Tourismus sehr wertvoll. Von grosser Wichtigkeit scheint mir auch, dass man die Älpler und ihr Leben respektiert. Durch gegenseitiges Interesse können Menschen von Stadt und Land, von Berg und Tal einander näher kommen und gegenseitig viel profitieren.

Welche Echos hatten Sie zum Buch?
In 23 Tagen waren die 2000 Exemplare der 1. Auflage verkauft. Insgesamt habe ich bis jetzt in drei Auflagen 5000 Bücher ausgeliefert. Damit wurden meine kühnsten Erwartungen übertroffen. Viele Komplimente gibt es immer wieder für die Bilder. Es freut mich, dass das Buch bei Bauern und Älplern, aber auch bei Personen aus nicht landwirtschaftlichen Kreisen sehr guten Anklang findet. Einige Bücher fanden den Weg sogar über den Ozean bis nach Amerika.

Ihr Fazit ist also durchwegs positiv?
Negatives erlebte ich kaum. Neben dem Bucherfolg gab es noch eine Unmenge weiterer toller Erfahrungen: Die Begegnungen mit den Menschen in den Bergen berührten mich tief. Die Einfachheit des Alplebens und die Nähe zur Natur haben mich viel gelehrt. Für all dies hege ich eine grosse Dankbarkeit.

 

Eine ausführliche Textversion kann als PDF-Format heruntergeladen werden.

Zeitungsbericht Dez. 2011